Partnerstädte
von Christoph Hoffmann
Gießens Freunde in der Pandemie
Corona erschüttert den Globus. Das trifft auch auf Gießens Partnerstädte zu. Wie ist die Situation in Winchester, Netanya, San Juan del Sur, Wenzhou, Waterloo, Gödöllö, Ferrara und Hradec Králové?.
Am 2. Februar ging auch in der Redaktion dieser Zeitung eine Meldung der Deutschen Presseagentur ein: Coronavirus in Wenzhou. Gießens Partnerstadt wurde von der chinesischen Regierung nahezu vollständig unter Quarantäne gestellt – als erste Stadt außerhalb der Provinz Hubei, in der das Virus seinen Ursprung genommen hatte. Gießens Magistrat schickte tags darauf 1000 Mundschutzmasken in die chinesische Partnerstadt. Zu jener Zeit war Corona weit weg, an eine globale Pandemie glaubten allenfalls Experten. Heute, zehn Monate später, ist die Maske auch auf Gießens Straße allgegenwärtig.
Wenzhou ist eine von acht Städten, mit denen Gießen eine Partnerschaft eingegangen ist. Die intensivsten Beziehung werden zu Netanya in Israel gepflegt, am längsten währt die offizielle Partnerschaft mit Winchester in England. Auch zu Ferrara in Italien, Waterloo in den USA, San Juan del Sur in Nicaragua, Gödöllö in Ungarn sowie Hradec Králové in der Tschechischen Republik bestehen Partnerschaften. Der Großteil dieser Beziehungen wurde in den 1980er Jahren vertraglich festgehalten.
Vereine oranisieren Partnerschaften
Enge Beziehungen zwischen einzelnen Städten und Gemeinden gibt es wohl so lange, wie es Städte und Gemeinden gibt. Die erste schriftlich fixierte Städtepartnerschaft haben hingegen das französische Le Mans und das ostwestfälische Paderborn geschlossen, zumindest ist diese Kooperation bereits 836 urkundlich erwähnt. Inzwischen pflegen mehrere tausend deutsche Städte und Gemeinden partnerschaftliche Beziehungen mit Vertretern im Ausland. Das Ende des Zweiten Weltkriegs gilt dabei in vielen Fällen als Auslöser. Vor allem die britischen Besatzer haben Partnerschaften nach Deutschland aufgebaut, um die aufgerissenen Wunden zu heilen. 1997 kam daher auch eine Sonderbriefmarke auf den deutschen Markt, die “50 Jahre Städtepartnerschaft” feierte.
Oft finden sich Städte zusammen, die den gleichen oder einen ähnlichen Namen haben. Marburg ist zum Beispiel mit Maribor in Slowenien befreundet. Die wirtschaftliche und geographische Ähnlichkeit ist ebenfalls ein Kriterium. So sind die beiden Finanzmetropolen Frankfurt und Mailand eng miteinander verbunden. Manchmal ziehen sich aber auch Gegensätze an. Das französische Dorf “Y” ging zum Beispiel eine Städtepartnerschaft mit der walisischen Gemeinde “Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch” ein, dem Ort mit dem längsten Ortsnamen Europas.
Bei den Partnerschaften steht der grenzübergreifende Austausch im Vordergrund. Vor allem mit Blick auf die Bürger. Daher wird die Freundschaft vor allem von Vereinen am Leben gehalten. So ist es auch in Gießen.
Für jede Städtepartnerschaft gibt es einen Verein, eine Gesellschaft oder einen Freundeskreis, der die schriftlich fixierte Freundschaft mit Leben füllt. Besonders der Partnerschaftsverein Gießen-Netanya ist mit viel Herzblut bei der Sache. Seit über 40 Jahren besuchen die Gießener die israelische Stadt an der Mittelmeerküste. In den Jahren sind neben Orchesterprojekten und Hilfsaktionen auch echte Freundschaften entstanden. Dass Gießens bedeutendster Festsaal im Alten Schloss den Namen Netanya trägt, ist also gut begründet.
Aber auch die anderen Partnerschaftsvereine sind mit Eifer bei der Sache. In San Juan del Sur greift der Gießener Verein der armen Bevölkerung unter die Arme, zum Beispiel mit Projekten in den Bereichen Ernährung, Bildung, medizinische Versorgung und Frauenförderung. Die Deutsch-Englische Gesellschaft machte unter anderem mit einem Staffellauf nach Winchester auf sich aufmerksam, die Deutsch-Italienische Gesellschaft Mittelhessen organisiert hingegen regelmäßig für Kinder zweisprachige Lesungen mit Zeichnen, Malen, Basteln und, wie sollte es anders sein, Kochen!
Gegenseitige Hilfe in der Krise
Auch die anderen Vereine halten die Freundschaft mit unterschiedlichen Aktionen aufrecht. Oft sind es gegenseitige Besuche und Schüleraustausche. So auch in Wenzhou.
Wenige Tage, bevor die Nachricht vom Corona-Ausbruch in der chinesischen Millionenstadt nach Deutschland schwappte, befanden sich noch Schüler aus Wenzhou in Gießen. Der zweiwöchige Austausch ging also nahtlos in eine strikte Quarantäne über. Der Gegenbesuch von deutschen Schülern musste abgesagt werden.
Wenige Wochen später brach Corona auch über Gießen herein. Die Freunde aus Wenzhou zögerten nicht lange und schickten umgehend 6000 Masken, OP-Hauben, Handschuhe und Corona-Tests. Das zeigt: Partnerschaften führen zu mehr als Straßennamen und netten Hinweistafeln an Stadteingängen. In schweren Krisen sorgen sie für schnelle Hilfe – wie es unter Freunden üblich ist.